Mittwoch, 28. Juni 2023

Gezeitenkinder - Ein Roman von Luise Diekhoff

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Manchmal verirrt sich ein Buch mit realer Geschichte in meinen Bücherstapel und ich möchte dann einfach mal aus Neugier der Vergangenheit gegenüber meine Krimis weglegen und anderen Lesestoff genießen.

Das Buch Gezeitenkinder hat mich sofort in den Bann gezogen. Es spielt im Jahr 1962 auf Norderney und ich wolle wissen wie das damals so war.



Autorin:

Luise Diekhoff lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Zuvor hat sie Literatur, Geschichte und Film studiert. Zu ihrem Roman Gezeitenkinder hat sie einen realen Bezug. Denn ihre Mutter war damals Erzieherin in einem Kinderheim und hat sie bei ihren Recherchen in die Vergangenheit unterstützt.

Geschichte:

Die schüchterne Anna mit Leserechtschreibschwäche und die moderne und fordernde Evi sind Cousinen. Zusammen haben sie eine Ausbildung als Kinderpflegerinnen absolviert und möchten zusammen in Norderney in einem Kindererhohlungsheim ihre erste Stelle beginnen. Die zwei Mädchen könnten wahrscheinlich unterschiedlicher nicht sein. Trotzdem verstehen sie sich gut. 

Allerdings ist Evi zum amüsieren auf die Insel gekommen und Hanna zum helfen. Sie sieht es als ihre Pflicht den kranken Jungen und Mädchen zu helfen und stößt dabei ziemlich schnell auf Wiederstand. Das Kinderheim Strandhafer wird mit strenger Hand geführt und das bekommen die kleinsten leider auch zu spüren. Hanna möchte aber nicht weg schauen und stößt schnell auf schier unüberwindbare Mauern.

Leseprobe:

Rita saß auf dem viel zu großen, viel zu hohen und viel zu harten Stuhl vor dem Schreibtisch der Heimleiterin und baumelte mit den Beinen. Nicht etwa, weil sie besonders fröhlich war oder sich sehr wohlfühlte. Nein, sie tat es schlicht und einfach, weil das eigentlich nicht erwünscht war. Mit den Beinen baumelten nur kleine Kinder. Keine über zehn. Und schon gleich gar keine, die gut erzogen waren. Gut erzogene Kinder nämlich machten kleine, gut erzogene Schritte, schlenkerten weder mit den Beinen noch zu sehr mit den Armen beim Laufen und hielten den Kopf gerade. Sie schrien nicht, beschmutzten sich nicht, sie widersprachen nicht, redeten nur, wenn sie dazu aufgefordert wurden, taten, was von ihnen verlangt wurde, aßen auf, hatten kein Heimweh, logen nicht und vor allem: Sie bissen keine anderen Kinder. Das alles war Rita erst von Oberschwester Margot, dann von der Heimleiterin Dr. Waldeck und anschließend noch einmal von einer Frau, die sich als Schwester Frieda vorgestellt hatte, erklärt worden. Rita wusste nun auch, dass sie hier im Heim niemanden wie sie gebrauchen konnten: eine Beißerin. Dabei hatte Rita Johannes gar nicht beißen wollen. Nun gut, sie hatte ihm den Apfel aus der Hand geschlagen. Aber dann hatte der Zug gebremst, und sie war gefallen. Überall so viele Töne, manche davon aus ihrer Kehle, und plötzlich hatte Johannes ihren Fall gebremst. Weich war er gewesen, und dann war da sein Arm in ihrem Mund – ein Unfall! So recht schien ihr das niemand zu glauben. Außerdem gab es noch ein anderes Problem: Rita stand nicht auf der Namensliste des Heims.


Mein Fazit:

Ein Faszinierendes Buch über die Geschichte Norderney. Ich fand es sehr interessant dass auch der vergangene Krieg und die dadurch hinterlassenen Wunden mit einbezogen wurden. Ein Roman voller Überraschungen und oft Unbehagen da es damals alles auch wirklich so war und vom System nicht hinterfragt wurde. Ich war gefesselt von dem Buch und fand es sehr lesenswert und auch unterhaltsam. Wobei das wohl nicht unbedingt das richtige Wort ist wenn man an die Kinder denkt. Ein toller Roman von Luise Diekhoff.

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